Wenn die Nacht zum Tag wird: Nachtarbeit in Wechselschicht

In vielen Unternehmen und Branchen ist Nachtarbeit unumgänglich und gehört zum Geschäftsmodell oder muss geschehen, um den benötigten Output zu realisieren. Für manche Mitarbeitenden ist sie eine attraktive Einnahmequelle. Für  anderen ist Nachtarbeit eine große Belastung, körperlich, psychisch und organisatorisch. Eine Befragung des Statistischen Bundesamts zeigt, dass in Deutschland der Anteil der Erwerbstätigen, die regelmäßig nachts arbeiten, im Jahr 2022 bei 4,6% lag. Weiterhin arbeiten in Deutschland 8% aller Vollzeitbeschäftigten in Schichtarbeit mit Nachtanteil (Arbeitszeitreport Deutschland) – sie arbeiten also entweder regelmäßig in Schichten, die auch Nachtschichten beinhalten, oder ihre Arbeit findet hauptsächlich während der Nachtstunden statt.

Wechselschicht mit Nachtarbeit und Dauernachtarbeit: Risiko für die Gesundheit

Nachts zu arbeiten bedeutet, gegen seinen Biorhythmus zu arbeiten und teilweise sehr starke Einbußen im sozialen Leben hinnehmen zu müssen. Den Biorhythmus kurzfristig problemlos von Tag- auf Nachtbetrieb umzustellen, gelingt den Wenigsten. Die meisten leiden unter Schlafmangel. Nicht nur während der Phasen, in denen sie nachts arbeiten, auch in den Tagen danach, während ihr Körper sich wieder umstellt – möglichst schnell, bevor wieder die nächste Nachtschicht ansteht. Ein immerwährender Jetlag. 

Eine BMAS/BAuA Erwerbstätigenbefragung ergab 2022, dass knapp die Hälfte aller Befragten in Wechselschicht mit Nachtarbeit und Dauernachtarbeit in den letzten 12 Monaten schlafgestört war. Weitere typische Symptome der Nachtarbeit sind Appetit- und Verdauungsstörungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie psychovegetative Beeinträchtigungen. Die hohe körperliche Belastung zeigt sich auch darin, dass das  Unfallrisiko in der Nachtschicht um 30% steigt. 

Im Laufe der Zeit entwickeln Betroffene ihre eigenen Strategien, wie die Stunden in der Nacht am besten gemeistert werden können, ohne Qualitätsverluste bei der Arbeit. Jedoch sind nicht alle Wege hierfür gesund. Oftmals kommt es zur Reduktion der Schlafmenge oder leider auch zum Konsum von Aufputsch- und Schlafmitteln. Oft zeigen sich Spätfolgen erst nach Jahren. Statistiken belegen, dass körperliche Beeinträchtigungen durch Schicht- und Nachtarbeit erst nach etwa 15 bis 20 Jahren auftreten. Zudem deuten Studien darauf hin, dass der Körper bis zum Alter von 35 Jahren tendenziell besser mit einem veränderten Schlafmuster umgehen kann, ab dieser Grenze kommt es zu stärkeren Beeinträchtigungen.

Nachtschichten und das soziale Leben

Die hohe körperliche Belastung durch Nachtarbeit ist ein Faktor. Für Menschen, die immer wieder auch nachts arbeiten, bedeutet diese einen großen Einschnitt ins Privatleben. Hinzu kommt das Bedürfnis allen Bereichen des Lebens gerecht zu werden: Arbeit, Familie, Freunden und Freizeit.
Arbeitende in Nachtschicht leben in einem Rhythmus konträr zu einem Umfeld, dass während des Tags arbeitet. Zeit außerhalb der Arbeit in den Zeitintervallen, in denen Freundinnen und Freunde sowie die Partnerin oder der Partner auch Freizeit haben, ist stark eingeschränkt. Wer schläft, wenn die für ihn wichtigsten Menschen wach sind, verpasst viele wichtige Lebensereignisse und gerät in Konflikte innerhalb der Partnerschaft oder im schlimmsten Fall in sozialen Isolation. 

Zudem ist die gesamte Familie von Nachtschicht betroffen. Es muss Rücksicht genommen werden, wenn Familienmitglieder tagsüber schlafen, während in der häuslichen Umgebung jeder seinen Bedürfnissen nachgehen möchte. Leben Kinder im Haushalt, kann die Belastung für alle Familienmitglieder enorm sein, gerade mit kleinen Kindern.  

Unternehmen tragen Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter

Unternehmen können viel dazu beitragen, die negativen Auswirkungen von Nachtarbeit zu reduzieren. Früher wurde empfohlen, viele Nachtschichten in Folge zu arbeiten, damit der Biorhythmus sich umstellt. Heute weiß man, dass gerade diese Umstellung des Rhythmus vermieden werden sollte um einen immerwährenden Jetlag zu vermeiden. Für den Körper ist genau das die größte Belastung. Deshalb werden heute kurze Nachtschichtblöcke empfohlen. Damit kommen die meisten Menschen besser zurecht: 

  • Mitarbeitende sollten höchstens 2-3 Nachtschichten am Stück arbeiten.  
  • Danach sollte eine ausreichend lange Ruhephase erfolgen, mindestens 48 Stunden bis zum nächsten Schichtbeginn. 
  • Bei der Planung können die Chronotypen und somit die individuelle Verträglichkeit von Arbeit zu unterschiedlichen Tageszeiten beachtet werden. Während der Frühtyp kein Problem damit hat, früh aufzustehen, fällt es dem Spättyp schwer. Wenn Spättypen regelmäßig früh aufstehen müssen, um zu arbeiten, kann dies zu einem Schlafdefizit führen. Daher ist es bei der Schichtplanung ratsam, die individuellen Chronotypen zu berücksichtigen. Dies kann das Erkrankungsrisiko verringern. 

Es gibt also durchaus Menschen, die gerne sogar ausschließlich nachts arbeiten möchten – auch, weil sie bspw. mit den Nachtzuschlägen für die Finanzierung ihres Hauskaufes gerechnet haben. In manchen Unternehmen ist das gestattet, viele lehnen es wegen des hohen Risikos gesundheitlicher Spätfolgen aber ab. Eine Option ist Personen max. zwei Jahre in Dauernachtschicht arbeiten zu lassen. Danach muss gewechselt werden. 

Das deutsche Arbeitszeitgesetz verpflichtet die Unternehmen in § 6 Absatz 1 dazu, die „… Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer … nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.“ Dahinter steht die Fürsorgepflicht der Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitenden. Wer Nachtarbeit in Wechselschicht oder an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet, gilt als Nachtarbeitender. Nachtarbeitende unterliegen einem besonderen, gesetzlich verankerten Gesundheitsschutz. Aus gutem Grund: Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Gestaltung von Nachtarbeit wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Mitarbeitenden aus. Und davon profitiert letztendlich auch die Produktivität der Unternehmen. 

Besondere Beachtung verdient der Umgang mit älteren Mitarbeitenden. Mit zunehmendem Alter verstärkt sich die Belastung durch Nachtarbeit. Das volle Ausmaß zeigt sich oft erst, wenn der Ruhestand längst da ist. 

Zur Fürsorgepflicht gehört auch, dass Nachtarbeitende das Recht haben, sich vor Beginn der Beschäftigung in Nachtarbeit auf Kosten des Arbeitgebers arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Diese Untersuchung kann alle drei Jahre wiederholt werden, ab einem Alter von 50 sogar jährlich. Wenn hier festgestellt wird, dass die Nachtarbeit die Gesundheit gefährdet, müssen die Beschäftigten in den Tagdienst versetzt werden.  

Nachtarbeit mit Workforce Management Software optimal einplanen

Voraussetzung, um für alle Beteiligten die bestmögliche Lösung zu finden, sind zwei Dinge: Erstens muss im Unternehmen das Wissen vorhanden sein, wie Nachtarbeit am besten gestaltet wird. Zweitens muss sichergestellt sein, dass die Erkenntnisse auch aktiv in der Dienstplanung umgesetzt werden. Ab einer bestimmten Größenordnung und Komplexität lässt sich dies nur mit geeigneter Software realisieren. Diese unterstützt dabei, die individuellen Wünsche der Mitarbeitenden in Bezug auf die zeitliche Lage der Nachtarbeit und der freien Tage zu berücksichtigen um den besten Schichtplan für alle Seiten zu gestalten. 

Nachtarbeit wird weiterhin ein großer Bestandteil vieler Unternehmen und Einrichtungen sein, aber sie kann für die Mitarbeitenden gesundheitlich besser gestaltet werden, wenn einige wichtige Grundsätze beachtet werden. 

Kontakt

2024-03-28T17:05:37+01:0027. März 2024|
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